Sommer, Hitze und ganz viel Besuch

Ihr Lieben,

Besser spät als nie, das ist wohl das Motto dieses Blogs.
Normalerweise schreibe ich ja jeden Monat einmal, ich hatte aber ja wie angekündigt Ende Juni viel Besuch, wovon ich hier auch noch berichten wollte, deswegen kommt der Blog jetzt erst Anfang Juli, aber es ist ja trotzdem quasi einen Monat nach dem letzten Eintrag. ;)

Im Juni ist bei mir einiges los gewesen: Die Kinder haben jetzt Ferien und sind jetzt immer den ganzen Tag im Zentrum, Unterricht in Deutsch und Englisch gebe ich trotzdem weiterhin, also habe ich da genug zu tun. Wir machen auch jede Woche einen Tag, an dem die Kinder aus unserem und noch zwei weiteren Zentren zusammenkommen und gemeinsame Aktionen machen. Das findet immer dienstags abwechselnd in einem der Zentren statt. 
Ich war zudem auch viel in Riga und im ganzen Land unterwegs und mit meinem Besuch habe ich auch viel unternommen. Der Sommer ist nun auch hier angekommen und das genieße ich in vollen Zügen, auch wenn es die letzten Tage echt unglaublich heiß war, vor allem für lettische Verhältnisse.

Zu Beginn des Monats (30.05.-03.06.) war der erste Besucher da: Mein Kumpel Emil, den ich im April noch in Norwegen besucht hatte. Neben dem typischen Sightseeing (was bei uns Fußballfans natürlich auch beinhaltet mal bei den Fußballstadien Rigas vorbeizuschauen), war ich mit ihm im Nationalpark Ķemeri, Kart fahren, in einem lokalen Brewpub und im Lettischen Okkupationsmuseum. In Ķemeri läuft man auf einem Holzpfad über das Moor, dort war ich im Herbst schon einmal, nachzulesen in meinem Eintrag von November 2021 (https://jonas-in-latvia.blogspot.com/2021/11/wie-man-den-lockdown-in-riga-uberlebt.html). Damals hatte ich ja schon gesagt, dass ich im Sommer gerne noch einmal hin wollte. Es war auch wieder sehr schön, allerdings dachten sich das auch die vielen Mücken dort, die man aber jetzt überall in Lettland antrifft und die auch überall gleich viel nerven.
Das Okkupationsmuseum war sehr interessant, sehr detailliert wird hier die Zeit der Besatzung durch die Sowjetunion und Nazi-Deutschland und auch das Leid und das Sehnen nach Unabhängigkeit und Freiheit seitens der Bevölkerung dargestellt. Besonders beeindruckend fand ich die Gestaltung des Museums, das durch die Betonmauern und den Stacheldraht von oben aussieht wie ein Gulag oder ein Konzentrationslager. Ich war ja bereits in den Okkupationsmuseen in Vilnius und Tallinn und ich fand alle sehr interessant und auch gut gestaltet. Ich möchte die drei Museen aber gar nicht direkt miteinander vergleichen, weil sie natürlich die Blickpunkte der verschiedenen Länder und ihrer Bevölkerung darstellen und damit alle ihre eigenen Schwerpunkte haben. 

Nachdem Emil dann am Freitag sich wieder verabschiedet hatte, war ich am Samstag (04.06.) noch in einem weiteren Museum und zwar im Lettischen Kriegsmuseum im Pulverturm der ehemaligen Stadtmauer. Dort wird die militärische Geschichte Lettlands seit dem neunten Jahrhundert n.Chr. dargestellt. Besonders gefallen hat mir, dass die Ausstellungsräume immer passend zur jeweiligen Zeitepoche gestaltet waren. Leider war ich nicht ganz so früh dar und weil das Museum eine Stunde früher geschlossen wurde, habe ich die Ausstellung nicht ganz geschafft, ich bin aber immerhin noch bis zur Unabhängigkeit 1918 gekommen.
Am nächsten Tag war dann mal wieder Strand angesagt, was bei dem guten Wetter im Moment nicht das letzte Mal war beziehungsweise sein wird, da der ja auch echt nicht so weit weg ist. Auch mit den Kindern sind wir häufiger am Strand, vom Zentrum aus ist der quasi um die Ecke. 

Am nächsten Wochenende war ich samstags (11.06.) - ihr habt es euch sicher schon gedacht - wieder im Museum. Diesmal im Nationalen Geschichtsmuseum Lettlands, wo man die Geschichte Lettlands von der Steinzeit bis heute nachverfolgen kann. Es war spannend zu sehen, wie Lettland sich im Laufe der verschiedenen Epochen entwickelt hat. Leider waren die detaillierten Beschreibungen nur in Lettisch und in Englisch gab es immer nur einen Übersichtstext zu den Räumen. Trotzdem war der Besuch für mich als besonders historisch interessierter Mensch natürlich Pflicht. 

Sonntags (12.06.) bin ich mit Evelyn nach Kuldīga gefahren. Ich wusste über die Stadt im Westen des Landes vorher nur, dass sich dort der breiteste natürliche Wasserfall Europas und dass sie laut meinem Reiseführer die "schönste Kleinstadt Lettlands" sei. Was soll ich sagen, viel kann ich gegen diese Aussage nicht sagen. Kuldīga ist wirklich einfach eine schöne Stadt, die ein bisschen an Kleinstädte in Südfrankreich erinnert: Ruhige Straßen mit rustikalen Häusern und idyllische Landschaften am Fluss, egal ob man durch die Wiesen und Felder am Fluss läuft oder ob man am Wasserfall sitzt und einfach nur die Füße ins Wasser hält - was schön ist, solange deine Sonnenbrille nicht ins Wasser fällt (ich hab sie aber wieder, keine Sorge). Ihr merkt schon, Kuldīga hat mir sehr gut gefallen, es ist direkt einer meiner Lieblingsorte in Lettland geworden. Wenn ich alt bin und in Rente, kaufe ich mir dort ein kleines Häuschen und genieße dort meine letzten Tage.

Ganz so entspannt waren die Tage danach (13.+14.06.) nicht: Es ging auf einen Ausflug nach Cēsis für zwei Tage mit den Kindern. Ein Trip mit Übernachtung mit den Kindern ist natürlich immer eine Herausforderung, aber es war trotzdem sehr schön. Wir hatten einiges an Programm: Wir waren im Tierpark, wo wir Kamele füttern und Lamas streicheln durften. Ziegen, Schafe, Esel, Pferde und Kaninchen gab es dort auch. Danach ging es noch in die Stadt zu einem Spielplatz und an einen See zum Schwimmen und Abkühlen, bevor wir zum Zentrum, wo ich im Mai ja schon war, gefahren sind, um dort die Nacht zu verbringen. Mit am Lagerfeuer Würstchen und Marshmellows haben wir dann den Abend ausklingen lassen und am nächsten Tag ging es dann zurück nach Riga.

Viel Zeit habe ich ja hier nicht mehr, deshalb muss ich natürlich noch ein wenig das Land erkunden und so ging es am Wochenende mit Evelyn und Amelie in den Südosten Lettlands.
In Daugavpils, der zweitgrößten Stadt des Landes, ging es am Samstag (18.06.) los. Die Stadt hat mich nicht umgehauen, aber es war ganz nett dort. Das Highlight war die Festung, wo sich auch das Mark Rothko Art Zentrum befindet. Der Künstler, der später in den USA Karriere machte, wurde hier geboren. Ich bin zwar nicht der größte Kunstfan, aber es war trotzdem interessant, sich das Museum anzusehen. Ansonsten gibt es in Daugavpils, wie in den meisten lettischen Städten, viele Kirchen, vier davon direkt beieinander auf dem Kirchenhügel (baznīca kalns). 
Nachdem wir die Nacht in Daugavpils verbracht hatten, fuhren wir morgens mit dem Bus weiter nach Rēzekne. Auch Rēzekne ist nicht die spektakulärste Stadt, aber ganz süß und man kann dort schön am gleichnamigen Fluss entlang laufen. Natürlich kann man auch hier einige Kirchen betrachten.

Die nächste Arbeitswoche war dann kürzer, denn am Donnerstag standen die Mittsommerfeierlichkeiten an, eines der wichtigsten Volksfeste hier. Donnerstag (23.06.) ist als Līgo diena und Freitag (24.06.) als Jāņu diena (Johannistag) frei und dann wird die ganze Nacht durchgefeiert. Die Letten fahren eigentlich aus der Stadt raus, um dort mit Freunden und Familien zu feiern. Das ist für mich natürlich schwierig, aber es gab auch in Riga Feste, zu denen wir gehen konnten, in Dzegužkalns auf der von mir aus gesehen anderen Seite des Flusses und im schon bekannten Mežaparks. Wir waren zuerst in Dzegužkalns, wo es traditionelle Musik und traditionelles Essen. Ich habe hier auch einen schönen traditionellen Kopfschmuck bekommen, den ich aber nur solange tragen gab, wie es keinen Jānis in der Runde gibt. 
Von dort aus sind wir dann später am Abend, um zu sehen, was dort so geht. Auch dort gab es Konzerte und Stände mit Essen und Trinken. Wir waren bis zum Sonnenuntergang dort, haben getanzt und waren zwischendurch am See, wo wir eine Gruppe aus Letten und Briten getroffen haben, die schon gut angetrunken waren und dementsprechend lustig drauf waren.
Insgesamt war es ein schöner Abend und es war interessant zu sehen, wie dieses traditionelle Fest hier gefeiert wird, auch wenn die Feierlichkeiten in Riga ein wenig auf Touristen ausgerichtet waren. Um halb sechs war ich dann im Bett. 

An eben jenem Freitag (24.06.) kamen dann meine Freunde Emily und Jack über das Wochenende zu Besuch. Samstag stand Altstadt, Jugendstilviertel und Mežaparks auf dem Programm und ich konnte meine Freunde, glaube ich, sehr von der Schönheit Rigas Überzeugung. 
Dann ging es sonntags zum "lettischen Versailles", zum Schloss Rundāle im Süden Lettlands in der Nähe der Grenze zu Litauen. Ganz so prunkvoll wie Versailles ist es natürlich nicht, aber das Schloss ist trotzdem sehr schön und durchaus beeindruckend. Auch der Garten, gestaltet von einem französischen Gartenarchitekten, ist nett anzusehen. Das Problem war nur, dass es sehr heiß war, deswegen waren wir nicht allzu lange dort.
Zurück in Riga ging es deswegen dann nach einem kurzen Abstecher zum Segelboothafen, wo Emily als Seglerin gerne vorbeischauen wollte, nach Jurmala an den Strand zu einem entspannten Abendausklang.
Montag war ich dann endlich mal in der Nationalbibliothek und dann ging es für die beiden auch schon wieder zurück. 

Nach dem Abflug am Montag kam dann am Mittwoch (29.06.) schon der nächste Besuch, nämlich meine wunderbare Familie, die bis heute (03.07.) hier war.
Mittwoch habe ich auch ihnen erstmal die Altstadt gezeigt, donnerstags ging es dann in die Moskauer Vorstadt mit der Speicherstadt, der Akademie der Wissenschaften mit der Aussichtsplattform und den Markthallen. Dort waren wir auch im Ghetto und Holocaust-Museum, was sehr spannend, aber natürlich auch bedrückend war. Später ging es noch ins Jugendstilviertel, was meinen Eltern sehr gut gefallen hat.
Nach Jurmala musste ich mit meiner Familie natürlich auch, mit meiner Mutter habe ich dorthin sogar eine Bootstour unternommen. Dabei ging es über die Düna und zwei Nebenflüsse, Buļļupe und Lielupe, nach Jurmala, wo wir den Rest getroffen haben, die vorher in einem Wasserpark waren. Auch am Strand war die Hitze wieder ein Faktor, deswegen war die Bootsfahrt zurück sehr erfrischend.
Gestern (02.07.) war dann der letzte richtige Tag, den meine Familie hier verbracht hat. Wir haben dann das Ethnographische Freilichtmuseum im Osten Rigas am Jugla-See, wo typische Gebäude aus ganz Lettland aus dem 18. bis 20. Jahrhundert ausgestellt sind. Das Museum gibt es schon seit fast 100 Jahren und ist sehr schön im Wald am See gelegen.
Heute ist meine Familie dann wieder zurück nach Deutschland geflogen, ich glaube und hoffe, dass sie eine gute Zeit hier hatten.

Jetzt ist der letzte Monat auch schon angebrochen, in genau vier Wochen geht es dann schon wieder zurück. Dem blicke ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Natürlich freue ich mich sehr wieder in Bonn zu sein und meine Freunde und Familie wieder zu sehen, aber ich hatte eine wunderbare Zeit hier und werde Riga und Lettland sehr vermissen sowie auch die Leute, die ich hier kennengelernt habe, allen voran meine Mitbewohnerinnen.
Aber jetzt genieße ich erstmal den letzten Monat hier. Morgen fahren wir mit den Kindern auf Freizeit nach Mazirbe am Zipfel im Nordwesten, zudem stehen noch Besuche in Ventspils und Liepāja auf dem Plan. Den Sommer hier muss ich auf jeden Fall noch auskosten.

Uz redzēšanos

Jonas

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