Vom Strand bis in den Lockdown


Long time no see, aber heute bin ich wieder zurück mit einem neuen Eintrag für euch!

Es ist mittlerweile schon einen ganzen Monat her, dass ich hier in Riga gelandet bin und für mich ist es so, als wäre es gestern gewesen. Die Zeit ist echt wie im Flug vergangen und ich könnte mich mit meiner Entscheidung hierher gekommen zu sein nicht wohler fühlen. 

Doch wie immer kommt es, wie es kommen muss: Dank einer phänomenalen Inzidenz von 907,8 (Stand 23.10.2021) - damit übrigens unangefochtener globaler Spitzenreiter - befindet sich Lettland seit gestern, Donnerstag, 21. Oktober 2021, im Lockdown. Alles ist zu, Ausgangssperre zwischen 20 und 5 Uhr, das ganze Programm. 
Meine Freizeit ist natürlich jetzt enorm eingeschränkt, abends rausgehen ist nicht mehr. Vor allem meine abendlichen Spaziergänge werde ich vermissen. 
Ich werde also die größte Zeit in unserer sieben Leute-WG rumhängen, ob das jetzt mehr Fluch oder mehr Segen ist, wird sich noch rausstellen, langweilig wird es aber mit Sicherheit nicht. 
Zur Arbeit kann ich zumindest freitags immer kommen, ansonsten besteht meine Aufgabe darin, zusammen mit Zsófia, der ungarischen Freiwilligen, die mittlerweile angekommen ist, Videos für die Kinder aufzunehmen, in denen wir verschiedene Aktivitäten anleiten sollen. Ich habe auch noch einige andere Ideen, teilweise auch zusammen mit anderen Freiwilligen mit anderen Einrichtungen, die ich gerne einbringen möchte, das sollte also alles ganz gut funktionieren. Die einzige Unbekannte, die sich in der Arbeit für mich rauskristallisiert hat, ist die Beteiligung der Kinder. Ich persönlich kann nämlich einschätzen, wie online-affin gerade die Jüngeren sind und wie hoch da die Motivation überhaupt ist. Zudem haben die Erst- bis Drittklässler weiter Präsenzunterricht, das heißt, dass die unter Umständen gar nicht in der Online-Welt drin sind. Aber das sind alles Dinge, die sich in den nächsten Wochen herausstellen werden, es bleibt also spannend.
Der Lockdown ist erstmal bis Mitte November geplant, letztes Jahr ging der zweite Lockdown aber wohl von Oktober bis März, drückt mir die Daumen, dass das dieses Jahr nicht so ist.

Den letzten Eintrag hier hatte ich ja mit der Ankündigung der Ankunft der neuen Freiwilligen aus Ungarn beendet. Zsófia ist mittlerweile hier angekommen, sie ist wirklich nett und die kurze Periode, die wir in Präsenz zusammenarbeiten konnten, hat auch gut funktioniert. 
Am Freitag (08.10.2021) nach ihrer Ankunft am 05.10.2021 hat unsere Einrichtung ihren ersten Geburtstag gefeiert. Dafür waren Leute aus der gesamten Diakonie zu Gast und wir haben den Geburtstag mit einem Gottesdienst, einer Weihung der Einrichtung, gutem Essen und einem Abschlusskonzert feierlich begangen. Gerade die Weihung war für mich persönlich etwas Neues, da ich als Protestant noch nie an einer teilgenommen hatte. Zwar ist die Einrichtung evangelisch-lutherisch, doch gerade hier merkt man die Ähnlichkeit zur katholischen Konfession und den Unterschied zu anderen evangelischen Strömungen, wie der unierten, der meine Kirchengemeinde in Deutschland angehört. Dementsprechend war dieses Ereignis für mich sehr interessant, ich finde es immer sehr schön, neue religiöse und kulturelle Eindrücke zu sammeln.

Am Wochenende stand dann noch ein weiterer Geburtstag an, denn am Sonntag, 10.10.2021, wurde Amelie 19. Dafür luden wir ein paar andere Freiwillige ein und feierten von Samstag auf Sonntag in ihren Geburtstag rein. Es war ein sehr schöner Abend und ich glaube, Amelie hat sich über die Party gefreut.

Unter der Woche stand dann wieder der Arbeitsalltag an, es war zudem Zsófias erste richtige Arbeitswoche, zuvor ging es hauptsächlich um die Vorbereitung der Geburtstagsfeier. Dies hatte den positiven Aspekt, dass wir konkrete Aufträge hatten und uns die Arbeit auch gut aufteilen konnten: Ich war eher für die aktiven und sportlichen Sachen zuständig, Zsófia eher für die kreativen und bastlerischen Aktivitäten.
Das funktionierte auch ganz gut, nur stiegen die Coronazahlen weiter an, sodass die Zentrumsleitung aufgrund der neuen Einschränkungen noch vor dem Lockdown entschied, das Team aufzuteilen - die eine Hälfte sollte von Montag bis Mittwoch arbeiten (u.a. ich), die andere Donnerstag und Freitag (u.a. Zsófia). Das hieß für mich, dass ich in der Folgewoche gar nicht arbeiten würde, da von Montag bis Mittwoch unser erstes Seminar, das "On-arrival-training", anstand.


In der Woche (11.-15.10.2021) hatten wir zudem auch unsere erste Stunde in Lettisch, die echt gut lief und die Lehrerin ist sehr nett und kann den Stoff meiner Meinung nach sehr gut vermitteln. Der einzige Haken war, dass Evelyn und ich Mittwochabend, der Abend vor der ersten Lettischstunde, die grandiose Idee hatten, die Nacht durchzumachen und dann den Sonnenaufgang an einem See anzugucken. Letzterer war echt sehr schön und die chaotische Fahrt dahin mit e-Scootern hat sich echt gelohnt. Das Navigationschaos war übrigens nicht meine Schuld, sondern die von Google Maps. Allerdings machte sich nach dem Lettischunterricht schnell Müdigkeit bei mir breit, sodass ich auf dem Weg zur Arbeit erstmal die gesamte Busfahrt durchgeschlafen hab und auch auf Arbeit war es nicht ganz leicht, aber ich hab den Tag überstanden und eine Lektion gelernt: Nie mehr an einem Arbeitstag die Nacht durchmachen. Dass ich da nicht vorher draufgekommen bin.

Am Samstag,  16.10.2021, fuhren wir dann an den nördlichen Rand von Riga und wo kommt man da dann raus? Richtig, am Meer! Auch wenn es windig und auch wenig regnerisch war, war der Strand wunderschön und wenn dann die Wellen hoch sind und an die Felsen schlagen, finde ich dieses Herbstwetter gar nicht mal so schlimm. 
Nach unserem Strandspaziergang wollten wir dann von der Flussmündung aus zu einem Café, doch wir landeten an einem militärischen Sperrgebiet (übrigens wieder Google Maps' und nicht meine Schuld. Was kann ich denn dafür, wenn die Karte nichts von Zäunen und Wegsperren sagt?). Also liefen wir aber am Strand zurück, was aber gar nicht so verkehrt war, da wir so den Sonnenuntergang sehen konnten, der am Strand wirklich traumhaft war. 
Durchgefroren wie waren, entschieden wir uns dann zurück in die Stadt zu fahren, dort Burger zum Take away zu bestellen und einfach zuhause im Warmen zu essen. 

Am Sonntag war dann einfach mal ein Faulenzertag angesagt, nachdem wir ständig unterwegs waren, habe ich das auch mal gebraucht.

Diese Woche (18.-22.10.2021) begann verhältnismäßig früh (mein Wecker klingelte um 8 Uhr) mit dem bereits erwähnten Seminar. Dieses war an sich ganz interessant und informativ, nur zog es sich ein bisschen und manche "Witze" hätten sich die Trainerinnen auch sparen können, ohne hier irgendjemandem nahe treten zu wollen. 
Sehr gut daran war, dass wir die Möglichkeit hatten andere Freiwilligen kennenzulernen, auch wenn es jetzt nur online war, es ist aber geplant, dass wir uns nach dem Lockdown alle zusammen in Riga treffen. 
Lockdown, ja genau das war die Hiobsbotschaft, die uns während des Seminars erreichte. Das löste erstmal ein wenig Panik aus: Was heißt das jetzt genau? Wie Ausgangssperre schon ab acht? Wie funktioniert das denn jetzt mit der Arbeit? Fragen über Fragen. Definitiv ist, dass ich mir das alles so nicht vorgestellt hatte. Corona sollte eigentlich keine Rolle mehr spielen. Naja, muss man jetzt irgendwie mit leben und bei sechs Mitbewohnerinnen ist eh immer was los und wie das mit der Arbeit läuft war dann irgendwann auch klar.
Krass fand ich, wie kurzfristig das alles kam. Vor allem für die Gastronomie, die wohl am Abend vor dem Start des Lockdowns am Donnerstag immer noch keine klaren Ansagen hatte, muss das alles sehr hart gekommen sein. Organisation ist wirklich nicht die Stärke der Letten, aber das habe ich ja schon bei dem Chaos mit meinem Abflug am eigenen Leibe erfahren.
Interessant ist auch, dass die Stimmung ganz anders ist als sie bei vergangenen Lockdowns in Deutschland war: Zwar wird der Lockdown ohne große Proteste von der Gesellschaft mitgetragen, andererseits sind trotzdem immer noch viele Leute unterwegs und manche Läden, die eigentlich nicht aufhaben dürften, sind irgendwie trotzdem geöffnet, die Stadt wirkt auf jeden Fall nicht so ausgestorben wie es deutsche Städte teilweise im Lockdown waren.

Sehr amüsant war dann am Freitag das Treffen mit meinem ehemaligen Deutschlehrer Herrn Böckmann. Dieser war auf meine Instagram-Seite (@jonas_in_latvia, immer einen Besuch wert ;)) aufmerksam geworden und hatte mich daraufhin gefragt, ob ich mich ihm, wenn er in den Herbstferien in Riga zu Besuch sei, mit ihm treffen möchte. Dem hatte ich gerne zugesagt, ich hoffte nämlich auch Tipps für das beste Bier in Riga, ich war meinerseits nämlich schon auf seinen Bierblog aufmerksam geworden. 
Zu Riga hat er eine besondere Verbindung, da er nach seinem Studium für drei Jahre hier als Lektor an der Universität gearbeitet hatte. Deshalb hatte er sich einen Besuch seiner Lieblingsstadt trotz Lockdown nicht nehmen lassen. 
Wir trafen uns nachmittags auf einen Coffee to go, liefen ein wenig durch die Straßen Rigas, tauschten irgendwann den Kaffee durch ein Bier aus und unterhielten uns über die Schule, Corona, Politik, Riga und seine Entwicklung und vieles mehr. Es war echt spannend, mich mit meinem ehemaligen Lehrer auszutauschen, das hatte ich so gar nicht unbedingt erwartet. Er zeigte mir auch viele coole Plätze in Riga, die ich nach dem Lockdown auf jeden Fall mal erkunden werde. Vor allem die Innenhöfe alter Industriekomplexe, die jetzt für kreative und innovative Projekte genutzt werden und in denen viele coole gastronomische Angebote (vor allem im Bereich Bier ;)) zu finden sind, haben es ihm angetan und auch wenn jetzt gerade alles stillsteht, fand ich den Flair dort sehr attraktiv. 
Wenn er demnächst wieder in Riga ist und der Lockdown dann hoffentlich zu Ende ist, wollen wir uns wieder treffen und in einem dieser Areale ein Bier genießen.

Wie ihr in diesem und den vorherigen Beiträgen lesen könnt, den ersten Monat habe ich meiner Meinung nach gut genutzt. Mal sehen, wie es jetzt im Lockdown weitergeht, wahrscheinlich wird weniger los sein, ich halte euch hier und auf Instagram auf jeden Fall auf dem Laufenden.

Uz redzēšanos

Jonas

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