Und dann waren es nur noch zwei ...

Meine lieben Freunde,

Es sind nur noch zwei Monate, bis meine Zeit hier in Lettland vorbei ist. ZWEI!
Es kommt mir wie gestern vor, dass ich in Riga gelandet bin und mein Freiwilligendienst begonnen hat. Klar, die Zeit im Lockdown hat sich ein bisschen gezogen, aber insgesamt vergeht die Zeit wie im Flug.

Der Monat begann mit den Feierlichkeiten zum Tag der Wiederherstellung der Unabhängigkeit am 04. Mai. Schon auf der Arbeit war die ganze Woche davon bestimmt. 
Am Montag, 02.05., haben wir mit den Kindern einen Ausflug ins Zentrum gemacht, um durch die Altstadt zum Freiheitsdenkmal zu laufen und dort Blumen und Kerzen anlässlich des Feiertages niederzulegen. Für die Kinder war das sehr aufregend, Bolderāja, der Stadtteil, in dem das Zentrum ist, ist ja relativ weit vom Stadtzentrum entfernt und deshalb sind einige Kinder gar nicht so oft da.
Tagsdrauf (03.05.) haben wir den Feiertag dann im Zentrum gefeiert, alles war schön dekoriert und es gab Festessen, erst mit den Erwachsenen, dann mit den Kindern.

Mittwochs, am 04. Mai selbst, wurde hier in Riga dann ordentlich gefeiert. Im Vergleich zum Unabhängigkeitstag am 18. November, den ich ja auch schon (allerdings unter coronabedingten Einschränkungen) miterlebt habe, war deutlich mehr los: Es gab Veranstaltungen in der ganzen Stadt, aber das große Highlight war sicherlich die Prozession vom Rathausplatz zum Freiheitsdenkmal mit traditionnell gekleideten Lett:innen aus allen Teilen des Landes. Danach gab es zurück am Rathausplatz noch Konzerte lettischer Bands und auch traditionnelle Tänze. 
Insgesamt war die generelle Feierlaune der Lett:innen zu spüren, es wahr sehr interessant, die Kultur näher kennenzulernen und hat auch echt Spaß gemacht. 



Am folgenden Wochenende habe ich dann anlässlich des Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa die Gedenkstätte Salaspils unweit von Riga besucht. Dort hatten die Nazis ein sogenanntes "Erweitertes Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager" errichtet, wo zwischen 1941 und 1945 rund 23.000 Menschen (hauptsächlich politische Gefangene) inhaftiert haben und über 3000 Menschen ihr Leben verloren haben. 
Von dem Lager selbst ist nicht mehr viel übrig, die Nazis haben bei der Räumung alle Gebäude niedergebrannt. Zum Gedenken wurden auf dem Gelände eine 100 Meter lange Mauer, in der sich eine Ausstellung über das Lager und die nationalsozialistischen Verbrechen dort befindet, und sieben riesige Statuen errichtet.
Nach dem Besuch der Gedenkstätte bin ich noch in den Ort selbst gelaufen und war im Botanischen Garten Salaspils, der aus einer großen und sehr schönen Parkanlage und einem Gewächshaus mit tropischen Pflanzen besteht. Ich war aber nicht sehr lange dort, da die Gedenkstätte sowohl von Bus- und Bahnhaltestellen als auch von Salaspils selbst etwas weiter entfernt liegt und schon entsprechend viel gelaufen war.

Wer diesen Blog aufmerksam und regelmäßig liest, könnte mitbekommen haben, dass ich ein sehr museumsbegeisterter Mensch bin. Wenn dann Museumsnacht in Riga (14.05.) ist, kann ich mir das natürlich nicht entgehen lassen und war nicht an einem, auch nicht an zwei, sondern gleich an drei verschiedenen Orten. 
Begonnen haben wir (ich war mit Amelie, Mariam und Gabriela, einer lettischen Freundin von Mariam unterwegs) im Schloss von Riga, dem Amts- und Wohnsitz des lettischen Präsidenten, der sonst nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Natürlich konnte man nicht ins Schlafzimmer des Präsidenten gucken, aber wir hatten Zugang zu den Räumlichkeiten, in denen sonst internationale Gäste empfangen werden, der Präsident Botschaften an die Nation richtet oder Bankette veranstaltet werden. Auch die "Ahnengalerie" der ehemaligen Präsident:innen und das Büro des ersten lettischen Präsidenten Janis Čakste. Zum allerersten Mal überhaupt wurde auch die "Schatzkammer", also die Räume mit Gastgeschenken internationaler Gäste, geöffnet. Ganz schön beeindruckend, was ein Präsident oder einen Präsidentin so alles geschenkt bekommt, von Schachbrettern über Tellern bis hin zu traditionnellen Gewändern.
Nächster Stop war das lettische Parlament. Von außen erinnert es ein bisschen an eine Schokoladentafel, aber von innen ist es sehr prunkvoll. Deutlich anders als beispielsweise das Reichstagsgebäude in Berlin. Der Plenarsaal ist aber wiederum kleiner, was natürlich aber auch daran liegt, dass die lettische "Saeima" weniger Mitglieder hat als der deutsche Bundestag.
Am Schluss wollten wir noch zum "VEF kulturas pils" (deutsch: VEF Kulturschloss), dem Kulturzentrum der "Valsts elektrotechniskā fabrika", der ehemaligen staatlichen elektrotechnischen Fabrik, die nach dem Zerfall der Sowjetunion aufgelöst und privatisiert wurde. "Am Schluss" heißt dabei übrigens wirklich am Schluss: Das Zentrum machte um 24 Uhr zu und wir waren erst ein paar Minuten vorher da und konnten uns nur kurz umsehen. Zu unserer Verteidigung: Die Museumsnacht selbst ging bis 1 Uhr, das Zentrum hat einfach früher zu gemacht.
Insgesamt fand ich die Museumsnacht sehr cool, die Möglichkeit auch mal abends in Museen zu gehen und neue Sachen zu entdecken ist echt super.




Am nächsten Tag (Sonntag, 15.05.) habe ich vielleicht einen der schönsten Ausflüge hier gemacht. Gemeinsam mit Amelie und Mariam ging es mal wieder nach Sigulda, wo wir erstmal zufälligerweise Gabriela getroffen haben, die dort ihre Großeltern besuchte (tagsdrauf bin ich ihr in Riga übrigens nochmal über den Weg gelaufen, Lettland ist ein kleines Land). Von dort aus sind wir erstmal mit der Gondel über den Fluss Gauja auf die anderen des Tales gefahren und haben dann eine Wanderung durch den angrenzenden Gauja-Nationalpark bis zur Burg Treyden (auf lettisch Turaidas Pils) gemacht, vorbei an der Gutmannshöhle, der höchsten Höhle im Baltikum, und dann wieder zurück. 
Die Natur rund um Sigulda hatte es mir ja schon im Herbst angetan und auch im Frühling war es dort wunderschön. 

Gestern (Samstag, 28.05.) haben sich dann alle Zentren der Diakonie am Zentrum in Cēsis getroffen, um dort vor allem im Garten zu arbeiten. Ich durfte dabei die riesige Wiese mähen - und war damit am Ende des Tages gerade mal zur Hälfte fertig. Es war sehr schön, dort bekannte und neue Gesichter wiederzusehen, vom Zentrum aus Madona waren auch Leute wieder da, es hat mich sehr gefreut, die wiederzusehen.

Auf der Arbeit läuft eigentlich alles so wie gehabt: Die Kinder haben viel zu viel Energie, es ist also sehr anstrengend, macht aber weiterhin Spaß. Mein Englischunterricht läuft auch weiter und seit zwei Wochen gebe ich nun auch Deutschunterricht. Nächste Woche starten dann schon die Ferien und dann sind die Kinder den ganzen Tag da, langweilig wird es also nicht.

Worauf ich mich nächsten Monat besonders freue, sind die Leute, die mich nächsten Monat besuchen kommen: Morgen schon, an meinem Geburtstag (30.05.), kommt Emil, den ich ja letzten Monat in Norwegen besucht hatte, meine Freunde Emily und Jack kommen gegen Ende des Monats und kurz darauf kommt zum Monatswechsel meine liebe Familie. Es wird ein Fest.

Wenn der Juni dann rum ist, dann ist es nur noch ein Monat und dann bin ich schon weg.
Aber daran denken wir noch gar nicht und ich genieße die restliche Zeit.

Uz redzēšanos

Jonas

Kommentare

  1. Hallo Jonas!
    Das klingt alles super interessant und aufregend! Schön geschrieben.
    Ich wünsche Dir noch nachträglich alles Gute zum Geburtstag!!!
    Tanja war vorhin noch zum Frühstücken bei mir und hat erzählt, daß sie Dich bald besuchen werden. Das Jahr ging schon ziemlich schnell vorbei. Du hast es echt optimal abgepaßt und den langweiligen und wohl seit Jahren dunkelsten Winter in Deutschland wo anders verbracht!
    Jetzt wünsche ich Dir noch tolle letzte Wochen, gute Ausflüge und passendes Wetter dazu.
    Gibt es Erdbeeren in Riga?
    Grüße
    Susi

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